Aufgeschoben ist nicht aufgehoben

Ich war nie eines dieser Mädchen, das unbedingt einmal Mama werden wollte. Klar, als ich klein war habe auch ich meine Püppis und Stofftiere umhergefahren, sie gefüttert und auch mal mit ihnen geschimpft. Davon gibt es Beweisfotos 🙂
Davon abgesehen, dass ich auch sehr gern mit Autos und Bauklötzern spielte, habe ich auch später nie mein Leben danach ausgerichtet oder gedanklich in der Zukunft geschwelgt mit konkreten Plänen im Hinterkopf. Die ganz abstrakte Vorstellung von einer eigenen Familie, die fand ich aber zu jeder Zeit prinzipiell sehr schön. Doch vor dem Kinderkriegen, also der tatsächlichen Geburt, hatte ich immer Angst. In meinem Kopf spielten sich Horrorszenarien ab – mit viel Blut, Geschrei und weit aufgerissenen Augenpaaren. Da gab es keinerlei Romantisierung, ich war dahingehend purer Realist.

In der Pubertät gab es kurze Phasen, in denen ich es schön fand an Babies zu denken und wie das wohl wäre mit einem eigenen. Oftmals verknündete ich aber mit absoluter innerer Überzeugung, dass ich niemals Kinder bekommen würde. Das lag auch ein wenig daran, dass meine Mutter eine sehr blumige Vorstellung von Enkelkindern hatte und ich als ältestes Kind nunmal als erste die Erwartungshaltung zu spüren bekam, dass sie gerne irgendwann zur Großmutter gemacht werden wollte. Das waren aber, um fair zu bleiben, eigentlich recht subtile Äußerungen. Doch ich spürte eine gewisse Selbstverständlichkeit darin mitschwingen. Wie viele Töchter es tun, wollte ich mich damals von ihr abgrenzen und meine Reaktionen waren häufig wenig feinfühlig.

Deshalb dachte ich auch im ersten Moment, dass ich mich nicht beschweren dürfe, als mir meine Endokrinologin mitteilte, ein vorhandener oder sich später entwickelnder Kinderwunsch sei leider nur durch Adoption oder die in Deutschland verbotene Eizellenspende möglich. Schließlich hatte ich bis dato selten einen Gedanken an eine Zukunft mit Kindern verschwendet. Dann war es doch also objektiv betrachtet ganz okay, dass es mich traf und nicht eine andere, die sich das ihr ganzes Leben bereits gewünscht hatte. Es dauerte einen Moment, bis die Worte der Ärztin wirklich durchdrangen und mir die Bedeutung bewusst wurde. Dann kamen die Tränen, sie gab mir verständnisvoll eine Packung Taschentücher und fragte mich, ob es bereits einen konkreten Kinderwunsch gegeben hatte. Ich musste das verneinen und ohne darüber nachzudenken kam von mir die für diesen Moment ehrlichste Antwort: „Ich hätte es mir nur gerne einmal selbst aussuchen wollen.“

Ich wollte es nie glauben, wenn Menschen aus älteren Generationen sagten, mit dem richtigen Partner käme dieser Wunsch von ganz alleine. Denn das unterstellte den Beziehungen, in denen ich mich zu den jeweiligen Zeitpunkten befand, dass sie falsch seien (was ich natürlich dann auch später jedes Mal eingesehen habe, aber lassen wir das). Mittlerweile habe ich das Glück einen Partner gefunden zu haben, bei dem ich mich tatsächlich so sehr zuhause und angenommen fühle, dass ich endlich verstehe, was gemeint war. Wahrscheinlich habe ich mich deshalb oft so vehement gegen das Kinderkriegen gewehrt, weil mir unbewusst klar war, dass es eben doch nicht auf die Dauer gut passte. Heute beschäftigt mich das manchmal noch. Weil es tatsächlich wahr geworden ist, dass ich niemals eigene Kinder haben werde und ich mir aber immer noch trotzdem eine eigene Familie wünsche, gerade weil ich nun denjenigen an meiner Seite habe, mit dem ich mir das wirklich vorstellen kann. Es sind ambivalente Gefühle, die damit verknüpft sind. Einerseits bin ich heilfroh, dass mir die besagte Horrorszenerie der Geburt erspart bleibt – andererseits bin ich traurig um den Verlust der Schwangerschaftserfahrung. Trotz der möglichen Komplikationen und Schwierigkeiten, stelle ich mir das Schwangersein als eine sehr zärtliche und achtsame Zeit vor.

Es ist erstaunlich, wie lange das Gehirn Wahrheiten verdrängen kann. Es lebt sich eigentlich ganz wunderbar damit – bis sich die Realität so ändert, dass Verdrängung nicht mehr klappt. Bei mir gab es zwei Anlässe, die meine Realität in dieser Art veränderten: Zum einen war es der Entschluss zu heiraten und zum anderen war es ein neuer Gynäkologe, der sich mit der bisherigen Behandlungsmethode nicht zufrieden geben wollte. Er sagte, dass ich doch noch so jung sei und er sich mit der Thematik auseinandergesetzt und gelesen hätte, dass auch vereinzelt FXPOI-Patentinnen schwanger geworden seien. Mein Östrogenspiegel war gut genug und deshalb wollte er gerne einen Versuch wagen, die Hormonersatztherapie noch einmal abzubrechen, um zu sehen, ob das eine entsprechend positive Stimulation hervorrief. Wir vereinbarten regelmäßige Sitzungen im Intervall von drei Monaten. Tatsächlich bekam ich im ersten Vierteljahr Blutungen und die Hoffnung keimte. Nach der ersten, sehr optimistischen Sitzung mit dem Arzt schlug mein Befinden aber immer mehr um. Die Blutung blieb wieder aus, ich spürte die Antriebslosigkeit und den ganzen anderen altbekannten Mist. Bei der zweiten Sitzung herrschte entsprechende Resignation. Zuerst war ich wütend darüber, dass mein Gynäkologe dieses „Experiment“ angestoßen hatte – doch mittlerweile weiß ich, dass ich das gebraucht habe. Obwohl ich ja damit gerechnet hatte, dass es nichts werden könnte, habe ich nämlich wieder geweint und da merkte ich, dass ich das irgendwie anders verarbeiten muss. Dass ich Hilfe dabei brauche, weil ich mir im Alltag selbst verbiete darüber tiefer nachzudenken, um die ganzen negativen Gefühle nicht aufzuwühlen. Es ist wichtig, das alles zu akzeptieren und als Teil von mir anzuerkennen. Ich bat meinen Gynäkologen um eine Überweisung zur psychologischen Beratung, was auch er sich bereits vorgemerkt hatte mir vorzuschlagen.

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